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Doppelte Wesentlichkeit nach CSRD in der Praxis

Pragmatisch und auf den Punkt für Sie zusammengetragen!

Die Wesentlichkeitsanalyse ist ein zentrales Element der neuen Berichterstattungsanforderungen nach CSRD. In den sogenannten Exposure Drafts hat die EFRAG (europäische Arbeitsgruppe für Finanzberichterstattung) Ende April 2022 den Zwischenstand der Berichtsstandards veröffentlicht. Bestandteil dessen ist auch der European Sustainability Reporting Standard 2 (ESRS 2). In diesem verpflichtenden, übergreifenden Standard ist die Wesentlichkeitsanalyse nach dem Prinzip der doppelten Wesentlichkeit verankert. Sie ist Ausgangspunkt für alle Unternehmen, die einen Bericht erstellen müssen.



1. Warum überhaupt eine Wesentlichkeitsanalyse?

Die Wesentlichkeitsanalyse ist Ihr Werkzeug, um zu bestimmen welche Nachhaltigkeitsthemen für Ihr Unternehmen relevant sind. Nur über diese wesentlichen Themen sollten Sie dann im späteren Bericht Informationen geben. Folgende Fragen beantworten Sie mithilfe der Wesentlichkeitsanalyse:

  • „Worauf wirken wir? Was wirkt auf uns?“ Sie bewerten Nachhaltigkeitsthemen, auf die Ihre Unternehmenstätigkeit Einfluss nimmt und/oder Nachhaltigkeitsthemen, die relevante Risken oder Chancen für Ihr Unternehmen bedeuten.

  • „Wo setzen wir Schwerpunkte?“ Sie identifizieren strategische Hebel, basierend auf den für Sie wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen.

  • „Worüber müssen wir berichten?“ Der Berichtsumfang lässt sich durch die Wesentlichkeitsanalyse eingrenzen, nämlich auf die Nachhaltigkeitsthemen und Offenlegungsanforderungen, die Ihr Unternehmen für sich als wirklich relevant identifiziert hat.


2. Was bedeutet Doppelte Wesentlichkeit?

Doppelte Wesentlichkeit bedeutet, dass Themen als wesentlich erachtet werden und damit in die Berichterstattung aufgenommen werden müssen, wenn sie


  • Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens haben (Financial Materiality)

oder

  • Handlungen des Unternehmens (einschließlich seiner Lieferketten) Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben (Impact Materiality).

Nach dem Prinzip der doppelten Wesentlichkeit reicht es also aus, wenn ein Thema in einer der beiden Dimensionen wesentliche Auswirkungen verursacht, um berichtspflichtig zu werden. Nach dem alten Wesentlichkeitsverständnis der NFRD waren Themen erst dann als wesentlich (bzw. berichtspflichtig) anzusehen, wenn sie in beiden Dimensionen wesentliche Auswirkungen verursachen. Dementsprechend sind die Unternehmen nun verpflichtet zu weitaus mehr Themen als bisher zu berichten. Die Draft-Standards zur CSRD formulieren bereits Anforderungen an die Anwendung der doppelten Wesentlichkeit bei Wesentlichkeitsanalysen.



3. Wesentlichkeitsanalyse in der Praxis angewandt!

Wir haben uns die detaillierten und teilweise komplizierten Anforderungen zur Wesentlichkeitsanalyse in der Umsetzung genauer angeschaut und für unsere Nachhaltigkeitsstrategieprojekte verarbeitet. Unser Anspruch dabei: pragmatisch und für unsere Zielgruppe verdaulich bleiben!


Und das haben wir gemacht:

  • Alle Nachhaltigkeitsthemen aus den Draft-Standards abgeleitet (z.B. Scope 1-3 Emissionen, Recycling, Faire Vergütung von eigenen Mitarbeiter:innen). Diese muss ein Unternehmen in einem späteren Schritt für sich als (nicht) wesentlich bewerten, um die Berichtsinhalte festzustellen.

  • Skalen ausgearbeitet mit denen Unternehmen (1) die Auswirkungen der eigenen Unternehmensaktivitäten und die (2) (finanziellen) Auswirkungen von externen Risiken und Chancen praktikabel für sich bewerten können

  • Ein Workshop-Konzept entwickelt, das Unternehmen Stück für Stück durch den Wesentlichkeitsprozess führt und die Einbindung verschiedener Fachbereiche ermöglicht

  • Das Konzept mit ersten Kunden erfolgreich angewandt!


4. Sharing is caring – Unsere Top Learnings

Offengesagt: Die Anforderungen aus den Draft-Standards in einen praktikablen Prozess zu gießen, war schwieriger als gedacht. Die Wesentlichkeitsanalyse bietet Potenzial in Diskussionen abzuschweifen und sich im Detail zu verlieren. Die Durchführung erfordert daher ein sehr strukturiertes Denken und ein organisiertes Vorgehen. Wir teilen unsere Erfahrungen für ein pragmatisches Vorgehen, damit auch Sie eine Wesentlichkeitsanalyse innerhalb weniger Stunden durchführen können.


Unsere Top Learnings

  • Gemeinsames Verständnis schaffen: Verschiedene Fachbereiche sind von den Nachhaltigkeitsthemen betroffen oder beeinflussen diese. Es ist essentiell, dass alle Beteiligten ein einheitliches Verständnis haben, was sich hinter den Nachhaltigkeitsthemen verbirgt. Das gleiche gilt für zugrundeliegende Annahmen zu Zeithorizont, Scope und Handlungsrahmen!

  • Fokus: Für Sie nicht wesentliche Themen sollten Sie direkt aussortieren, um die detailliertere Bewertung nur bei den potenziell wichtigen Themen durchzuführen. Das spart Zeit und Nerven!

  • Ausgangsbasis und Wirkung verstehen, um bewerten zu können: Es hilft, erst den Status Quo des Unternehmens pro Nachhaltigkeitsthema zu beschreiben ("Was machen wir heute zu dem Nachhaltigkeitsthema?"). Anschließend lässt sich dann leichter beschreiben und bewerten, wie Risiken, Chancen und die Wirkung der Unternehmensaktivitäten aussehen.

  • Bewertungsskalen nicht abstrakt halten, sondern auf den Unternehmenskontext anpassen: Wir empfehlen, die abstrakten EFRAG Bewertungsskalen in für das Unternehmen relevante Schwellwerte zu überführen. Zum Beispiel: Wie soll man bewerten, ob ein Risiko einen „sehr hohen“ Schaden verursacht? Auf das Unternehmen angepasst ist ein Risiko durch das Nachhaltigkeitsthema sehr hoch, wenn das Unternehmen damit bspw. die Hälfte der Produkte, z.B. aufgrund von eingeschränktem Zugang zu Ressourcen, nicht mehr wie gewohnt bereitstellen kann.

  • Einigkeit über das Ergebnis der Bewertung schaffen. Alle internen Stakeholder, die beim Prozess der Bewertung einzelner Themen eingebunden waren, sollten auch das Gesamtergebnis der Analyse und Bewertung gemeinsam betrachten. So lässt sich die Verhältnismäßigkeit der wesentlichen Themen untereinander kritisch prüfen. Denn nur wenn Einigkeit über das ‚Big Picture‘ der wesentlichsten Themen besteht, können diese auch fokussiert und wirksam gemeinsam angegangen werden.

  • Externe Hilfe holen: Besonders im Wesentlichkeitsprozess spart es Zeit mit externer Unterstützung zu arbeiten, die einzelne Themen vorsondiert, den Gesamtüberblick behält, Guidance im Prozess gibt und Diskussionen dahingehend leitet, dass die Flughöhe der Inhalte zweckmäßig und ergebnisorientiert bleibt.





Für den Exposure Draft zur Wesentlichkeitsanalyse bekam die EFRAG viel Kritik mit Blick auf dessen Anwendbarkeit in der Praxis, die Klarheit der Anforderungen sowie die standardisierten Vorgaben. Jetzt ist die Konsultationsphase der EFRAG abgeschlossen und die Standards werden überarbeitet. Wir sind gespannt ob und wie das Update im November für Klarheit sorgen wird!



5. Update November 2022! Endlich Klarheit?

Maßgebliche Veränderungen haben wir für Sie herausgefiltert:

  • Reduktion der Offenlegungspflichten: Die Anzahl der Sektor-übergreifenden Standards wurde von 13 auf 12 reduziert. Inhalte eines ehemaligen Governance Standards wurden teilweise integriert bzw. gestrichen. Die geforderten Offenlegungen wurden von 136 auf 85 reduziert. Der Schein trügt allerdings leicht: teilweise wurden Indikatoren zusammengefasst bzw. werden in Sektor-spezifische Standards überführt, die erst Mitte 2023 veröffentlicht werden und derzeit noch erarbeitet werden.

  • Verpflichtende Standards: Wenig überraschend - die Berichtsinhalte aus ESRS 2 General Disclosures und ESRS E1 Climate Change werden zur Pflicht für alle. Insbesondere letzteres ist uns positiv aufgefallen. Alle von der CSRD betroffenen Unternehmen müssen sich auf diese Weise strategisch mit ihrer Klimawirkung und -management auseinandersetzen. Für Unternehmen mit mind. 250 Mitarbeitenden wird außerdem der komplette ESRS S1 Own Workforce verpflichtend.

  • Wesentlichkeitsanalyse: Die Wesentlichkeitsanalyse hat in ihrer Wichtigkeit nochmals dazu gewonnen. Sie bildet die Startlinie, die alle überqueren müssen, um mit der Berichterstattung loszulegen. Die „rebuttable presumption“ (zu Deutsch: widerlegbare Annahme) wurde als Ausgangspunkt zur Bestimmung der Berichtsinhalte gestrichen. Für uns ist es deutlich: Der Bewertungsprozess bleibt sehr komplex und ist eng mit dem Risikomanagement zu verknüpfen.

  • Comply-or-explain: Unternehmen können teilweise auf das Comply-or-explain (Inhalte berichten oder Berichtslücken erklären) Prinzip zurückgreifen. Dies trifft bei Angaben zu Richtlinien (Policies), Maßnahmen (Actions), und Ziele (Targets) zu. Allerdings müssen Unternehmen angeben, wann die Inhalte nachträglich berichtet werden.

  • Übergangsfristen: Für einige Anforderungen werden Übergangsfristen gewährt. Dies trifft vor allen Dingen auf komplexe Themen wie einige Angaben zu Lieferkette zu.

Die finalen Entwürfe werden nun von der EU-Kommission geprüft und eine Verabschiedung ist für Juni 2023 geplant.


Unser KLIMA Thinking Circle setzt sich jetzt schon mit den Berichtsanforderungen des ESRS E1 Climate Change auseinander und erarbeitet Lösungen. Werden auch Sie aktiv! Anfang 2023 startet der CSRD Thinking Circle. Bereiten Sie sich gemeinsam mit anderen Unternehmen auf Wesentlichkeitsanalyse und andere CSRD-Anforderungen vor - lernen und lehren Sie. Wir unterstützen dabei mit voller Tatkraft!


Hier finden Sie das vollständige Dokument der EFRAG zu den ESRS.









Sie möchten sich beraten lassen? Dann lassen Sie uns sprechen!


Sie haben ein anderes Thema, was Sie nicht alleine angehen möchten? Initiieren Sie einen Thinking Circle!






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